09 März 2025

[Rezension] Die Melodie der Lagune von Harriet Constable

 

Die Melodie der Lagune
von Harriet Constable
Übersetzt von Edith Beleites

Verlag und Coverrechte: Verlagsgruppe Harper Collins
Erscheinungstag: 25.02.2025
Seitenzahl: 384
Gebundenes Buch: 24,- € (D)
E-Book: 19,99 € (D)
ISBN: 978-3365009888
Historischer Frauenroman in Venedig über Vivaldis Rivalin Anna Maria della Pietà, die beste Violinistin der Welt.


Es ist an der Zeit, die Frau kennenzulernen, über die wir in den letzten 300 Jahren hätten sprechen sollen: Dies ist die Geschichte von Anna Maria della Pietà.


Venedig, 1696

Ein kleines Mädchen erblickt das Licht der Welt. Ihre Mutter, gerade einmal 17 Jahre alt, verdient ihren Lebensunterhalt als Prostituierte. Doch nach der Geburt ist sie so verzweifelt, dass sie beschließt, sich mit ihrem Säugling zu ertränken. Aber das Neugeborene kämpft um sein Leben und so rettet sich die junge Frau mit dem Kind aus dem Wasser. Sie wird von einer alten Frau gefunden, die sie für die nächsten zwei Wochen in ihrem Haus wohnen lässt. Dann rät ihr die Frau, ihre Tochter in das Mauerloch vom klösterlichen Waisenhaus zu legen und sie darf nicht länger warten, denn sonst passt das Baby nicht mehr hinein und wird nicht aufgenommen. Schweren Herzens legt die junge Mutter ihre Tochter in das Mauerloch, verabschiedet sich von ihrem Baby und läutet die Glocke, die sich neben dem Loch befindet.

Und so beginnt das Leben des Mädchens, das von Schwester Clara mit dem Namen Anna Maria della Pietà in ein dickes Buch eingetragen wird, im Waisenhaus Pietà.

Der Schreibstil ist sehr eindrücklich und bildlich. Ich fühlte mich beim Lesen wie eine Zuschauerin, die zuerst mit der bedauernswerten jungen Mutter leidet und dann mit dem Säugling, der kleinen Anna Maria, und auch all den anderen Babys. Was für schreckliche Zeiten das damals waren. Und als die junge Mutter die wenigen liebevollen Worte für ihre kleine Tochter schreiben lässt, und die sie ihr mit in das Mauerloch gibt, hatte ich schon Tränen in den Augen - das war so berührend!
Und dennoch war es wohl die beste Option für die Kleine. Sie hat um ihr Leben gekämpft und besitzt einen starken Charakter. Das wird so deutlich, wenn man sie als 8-jähriges Mädchen im Waisenhaus erlebt. Als Antonio Vivaldi ihr Lehrer wird, ist sie mehr als beeindruckt und Vivaldi fördert und fordert sie. Anna Maria hat nicht nur einen Traum, sie hat ein Ziel: Sie will die beste Violinistin werden, die es je gab!

Der geschilderte Alltag im Waisenhaus ist kein Zuckerschlecken. Und obwohl die Mädchen in gewisser Weise privilegiert sind durch die dem Waisenhaus angeschlossene und sehr angesehene Musikschule, leiden sie unter der rigiden Erziehung und den gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit.

Ich fand es sehr schön, dass Anna Maria zwei Freundinnen im Waisenhaus hat, die sich gegenseitig unterstützen. Sie halten einfach zusammen und Äußerlichkeiten spielen keine Rolle. Wenn man sich vor Augen führt, wie die Zustände der ärmeren Bevölkerung in diesen Zeiten sind, kann man erahnen, wie man mit ungewolltem Nachwuchs, insbesondere weiblichem, umgeht. Die meisten Mädchen im Waisenhaus sind körperlich versehrt und die eindrücklichen Schilderungen der Autorin diesbezüglich, machen aus heutiger Sicht fassungslos.

Die Mädchen, die nicht über ein außergewöhnliches musikalisches Talent verfügen, werden zwangsverheiratet sobald sie ihre körperliche Reife erlangt haben.

Anna Maria verfügt über ein herausragendes Talent an der Geige und wenn sie spielt, fliegen ihr die Töne in den schönsten Farben zu wie bunte Schmetterlinge.
Sie geht in ihren Farben förmlich auf und gepaart mit ihrem unermüdlichen Ehrgeiz, wird sie zur Lieblingsschülerin von Vivaldi.

Anna, wie sie von ihrem Lehrer genannt wird, muss sich auch seit frühester Kindheit mit Ängsten, Verlust und ihrem eigenen Verhalten auseinandersetzen. Was opfert sie, um es an die Spitze der figlie di coro, der Elite der Musikschule, zu schaffen?

Während die Beziehung zu ihrem Lehrer und Mentor in den ersten Jahren von Bewunderung geprägt ist, wird sie später zunehmend ambivalent. Anna Maria komponiert gemeinsam mit Vivaldi und auch ihre eigenen Stücke, für die ihr Lehrer bei Konzerten den alleinigen Ruhm beansprucht.

Antonio Vivaldi wird als ein unsicherer, kränklicher Mann dargestellt, der es nicht ertragen kann, Anna Maria auf Augenhöhe zu begegnen und öffentlich anzuerkennen, was sie geschaffen hat. Und ihr wird deutlich vor Augen geführt, wo ihr Platz in dieser von Männern dominierten Gesellschaft ist.

Dieser Roman ist eine fiktive Geschichte mit historischem Hintergrund. Von Harriet Constable großartig und so eindrücklich geschrieben, dass alles genau so gewesen sein könnte. Ich möchte wirklich hervorheben, dass mich der Stil der Autorin nachhaltig mitgerissen und berührt hat. Es ist eine Geschichte, die noch eine ganze Weile nachhallt, auch wenn die letzte Seite schon lange gelesen ist.

Sind es wirklich nur Männer, die so Großes geschaffen haben, dass es Jahrhunderte überdauert? Mein Blick darauf hat sich jedenfalls deutlich verändert. Danke, Harriet Constable!


Absolute Leseempfehlung von mir!

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
Meine Rezension zum Buch ist unbeeinflusst und spiegelt meine persönliche Meinung wider.


1 Kommentar:

  1. Schönen guten Morgen!

    Das klingt nach einer sehr intensiven und berührenden Geschichte - sicher sehr gut, aber nichts für mich :) Ich weiß dass solche Bücher sehr viel bieten, aber die Themen sprechen mich einfach nicht so an... ich kann mir aber gut vorstellen, wenn gut recherchiert ist, dass es einen tollen Einblick in die Zeit von damals bietet. Ein Leben dass wir uns kaum vorstellen können.

    Deinen letzten Satz, da hab ich witzigerweise gestern mit meiner Tochter darüber diskutiert - aber die Frauen waren damals nun mal meist sehr unterdrückt und/oder gering geschätzt. Sie hatten oft einfach keine Möglichkeiten ihre Talente zu fördern oder zu zeigen. Schön dass manche es dann doch geschafft haben!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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